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Integration braucht Innovation – JMD digital

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Die meisten Jugendlichen mit Migrationserfahrung leben in Großstädten und Ballungsräumen. Aber wie erreicht man die, die auf dem Lande leben? Das Modellprojekt JMD digital präsentierte sich am 22. Juni 2021, natürlich online. Ein spannender Tag für 200 am Projekt interessierte Menschen voller Einblicke und Inspiration.

In Deutschland leben 25 % der Menschen mit Migrationshintergrund im ländlichen Raum. Hier gestaltet sich die Ansprache von Jugendlichen sowie die Beratung, Begleitung und Bildung als besonders schwierig. Grund genug für die Jugendmigrationsdienste (JMD), ein Modellprojekt für virtuelle Beratungsstrukturen in ländlichen Räumen aufzulegen. Das Pilotprojekt JMD digital läuft an 16 Modellstandorten und der JMD in Herford ist einer davon. Es wird aus Mitteln des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) kofinanziert und vom Bundesfamilienministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bis Oktober 2022 gefördert. Die Projektpräsentation im Juni zeigte erste erfolgversprechende Wege, jungen Menschen im ländlichen Raum gesellschaftliche Integration und Teilhabe mittels digitaler Angebote zu ermöglichen. Die wesentlichen Schritte, die durch das Modellprojekt in der Region verankert werden sollen, sind umfassende Beratung anzubieten, Bildungsangebote zu vermitteln und Berufschancen zu eröffnen.

Projektkoordinator Hermann Winterholler stellte zunächst die drei Maßnahmen von JMD digital vor. Bei „Digital Streetwork“ geht es darum, Informationsvermittlung und Verweisberatung in den digitalen Räumen auf Social Media-Plattformen anzubieten. Virtuelle Erfahrungswelten sollen konzipiert werden, um typische Situationen wie Behördengänge oder Bewerbungsgespräche zu simulieren. Schließlich soll auch eine orts- und zeitunabhängige Online-Beratung etabliert werden. Diese Leistungen werden an den 16 Projektstandorten erprobt, von Euskirchen bis Wernigerode, von Ratzeburg bis Heidenheim. Bei der Vorstellung der Standorte zeigten sich unterschiedliche Anforderungen. Erwartet wird eine Verknüpfung zwischen analogen und digitalen Angeboten, gerade auch, weil einige Landkreise mit der Flächengröße des Saarlands die Mitarbeitenden vor logistische Herausforderungen stellen und viel Zeit auf der Landstraße mit sich bringen. Während einige Standorte mit Alltagsrassismus zu kämpfen haben, wurden einmütig und gemeinschaftlich auch die Vorzüge der ländlichen Räume gelobt: mehr Wohnraumangebote, ein integratives Vereinsleben, eine kommunikative Nachbarschaft und die Nähe zur Natur waren die meistgenannten Positiva.

Als ein Highlight des Tages folgte die anschauliche Präsentation von Prof. Dr. Birgit Glorius, lehrend an der TU Chemnitz zum Thema „Migration und Diversität im ländlichen Raum“. Ihr Material bezog Frau Glorius aus aktuellen Studien und Interviews speziell mit Geflüchteten. Sie bestätigte das Ungleichgewicht von Migration in Stadt und Land, überraschte die Teilnehmenden aber auch mit regionalen Unterschieden. Während der Süden eine Migrationsdichte von über 10 % aufweist, erreicht der Osten der Republik gerade mal 2 %. Die Vorteile der ländlichen Räume beschrieb Frau Glorius mithilfe der Begriffe Vereine, Kirche, Feuerwehr. Aus ihren Interviews wusste sie aber auch, wie wichtig den Menschen gerade auf dem Land die Nähe zu Kinderarzt, Fahrschule oder zum Beispiel dem arabischen Supermarkt ist. Wer dann ohne Führerschein mobil sein muss, ist in großflächigen Landkreisen langen Wegen ausgesetzt. Auch die Akzeptanz von Diversität ist im ländlichen Raum weniger ausgeprägt. Hier ist das Bierchen nach dem Fußballtraining für Zugewanderte nicht immer so selbstverständlich wie für die Dorfjugend. Zudem, so belegte Frau Glorius, scheitert das Finden von Wohnung und Arbeit oftmals an strukturellem oder Alltagsrassismus. Ihr Vortrag sorgte für lebhafte Diskussionen und zahlreiche Fragen, kurz: eine wirklich anregende und konstruktive Auseinandersetzung.

Im Anschluss wurden vier parallele Workshops zu den Themen Digital Streetwork, Ländliche Räume, Virtuelle Welten und Online-Beratung angeboten. Nach fünf intensiven Stunden fand eine Vorstellung der Ergebnisse der Workshops statt und die gewachsene Erkenntnis wich wachsender Erschöpfung. Die Teilnehmenden stellten sich in einer abschließenden Befragung auf eine spannende Anwendung von JMD digital ein. Die Zukunft der digitalen Beratung des Jugendmigrationsdienstes Herford im Ev. Kirchenkreis Herford e.V. hat heute begonnen.

Weitere Informationen über die Arbeit des Jugendmigrationsdienstes Herford können hier abgerufen werden.

© Servicebüro Jugendmigrationsdienste