Nach dem Anschlag in Solingen haben sich die Diskussionen um Asyl und Migration deutlich verschärft. Zunehmend werden populistische Forderungen laut. Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann mahnt mehr Besonnenheit an. „Eine Eskalationsdebatte hilft nicht, um die Herausforderungen beim Thema Asyl und Migration anzugehen“, sagte er bei einer Pressekonferenz.
Die Diskussionen um Asyl und Migration haben sich nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten Anschlag Ende August in Solingen deutlich verschärft. Inmitten dieser aufgeheizten Debatte werden zunehmend populistische Forderungen laut, die von der Abschaffung des Individualrechts auf Asyl über die Streichung von Sozialleistungen bis hin zu schnelleren Abschiebungen reichen. Diese Forderungen stellen dabei das im Grundgesetz verankerte individuelle Recht auf Asyl und das Recht auf eine menschenwürdige Existenz in Frage, wurden aber teilweise in die sogenannten Sicherheitspakete von Land und Bund aufgenommen.
„Eine Eskalationsdebatte hilft nicht, um die Herausforderungen beim Thema Asyl und Migration anzugehen“, betont Christian Heine-Göttelmann, Vorstand der Diakonie RWL. „Es braucht dringend mehr Besonnenheit und eine Versachlichung der Diskussion in einer Weise, die unsere freiheitlichen Werte und die Regeln des Rechtsstaats respektiert.“ Alle Menschen, die in Deutschland Asyl suchten, nun unter Generalverdacht zu stellen, sei weder hilfreich noch unserer demokratischen Gesellschaft dienlich, so der RWL-Vorstand.
Die Diakonie RWL unterstreicht die Notwendigkeit, alle Menschen menschenwürdig zu behandeln und das schließt auch diejenigen mit ein, die auf der Suche nach Schutz nach Deutschland kommen. „Während Schutzsuchende in Deutschland sind, haben sie ein Recht auf staatlich unabhängige Beratung“, so der Vorstand der Diakonie RWL. „Solingen hat gezeigt: Gerade jetzt braucht es mehr und nicht weniger Beratungsangebote.“
Die Kürzungspläne der NRW-Landesregierung bei den Flüchtlingsberatungsstellen kritisiert er dabei deutlich: „Wer heute bei der Beratung von Geflüchteten und Migrant*innen spart, gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt von morgen“, warnt Heine-Göttelmann. „Investitionen in gute Beratung tragen zu besserer Integration und somit auch zu mehr Sicherheit in der Gesamtgesellschaft bei.“
Ordnet die aktuelle Diskussion ein: Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann.
Kürzungen bedrohen Beratungsangebote für Geflüchtete
„Die geplanten Kürzungen bei der Asylverfahrensberatung sind ein herber Rückschritt in der Verpflichtung nach der EU-Verfahrensrichtlinie, Schutzsuchenden einen effektiven Zugang zu unentgeltlicher rechtlicher Beratung zu gewährleisten“, erklärt Barbara Geisler-Hadler, Geschäftsführerin des Diakonischen Werks Herford. „Frustration und Unsicherheit unter den Asylantragstellenden werden zunehmen, während der Druck auf die jetzt schon überlasteten Beratungsstellen weiter steigt. In Herford können wir aufgrund der fehlenden Finanzierung aktuell leider gar keine Asylverfahrensberatung mehr anbieten.“
In Nordrhein-Westfalen gibt es derzeit 57 Landesunterkünfte mit 34.776 aktiv betriebenen Plätzen. Die Landesregierung plant, diese Kapazität auf 41.000 Plätze zu erhöhen und weitere Unterkünfte zu eröffnen. „Bei einem geplanten Ausbau der Landesunterkünfte braucht es mehr und nicht weniger Beratungsangebote“, fordert Geisler-Hadler.
Besonders besorgniserregend ist die Streichung der Asylverfahrensberatung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die dieser besonders schutzbedürftigen Gruppe die Möglichkeit nimmt, ihre Rechte angemessen wahrzunehmen. „Weder die bestehenden Beratungsstrukturen noch das überlastete Jugendhilfesystem können diese spezialisierte Fachberatung, die auch Vormünder und Mitarbeitende von Jugendämtern schult, ersetzen“, so Geisler-Hadler.
„Diese Kürzungen bedrohen die Existenz von Begegnungs- und Kommunikationsorten“, sagt Geisler-Hadler (rechts).
Darüber hinaus soll die Förderung interkultureller Zentren und niederschwelliger Integrationsvorhaben, die 2024 noch fast eine Million Euro betrug, gestrichen werden. „Diese Kürzungen bedrohen die Existenz von Begegnungs- und Kommunikationsorten, die für den gesellschaftlichen Zusammenhalt von großer Bedeutung sind“, sagt Geisler-Hadler. „Insbesondere Migrant*innenselbstorganisationen, die auf diese Förderung angewiesen sind, werden darunter leiden.“
Die geplanten Kürzungen verschärfen die Herausforderungen in den Bereichen Migration, Integration und Flucht. „Ungenügende Investitionen in Integration fördern Spaltung und Diskriminierung sowie fremdenfeindliche Einstellungen“, warnt Geisler-Hadler. „Wir fordern den Landtag auf, die Kürzungsvorschläge der Landesregierung zurückzunehmen und stattdessen in eine zukunftsorientierte Integrationspolitik zu investieren.“
Text: Julian Engelmann, Fotos: Jana Hofmann